Mama (OT: Mama,
Spanien/Kanada 2013, Regie: Andrés Muschietti)
Handlung:
Infolge der Wirtschaftskrise 2008 tötet der verzweifelte
Geschäftsmann Jeffrey Partner und Ehefrau. Er flieht im Auto mit
seinen beiden Töchtern, der dreijährigen Victoria und ihrer
einjährigen Schwester Lilly. Als er die Kontrolle über den Wagen
verliert, stürzt dieser einen Abhang hinunter. Doch die drei
überleben und finden Unterschlupf in einer verlassenen Hütte im
Wald. Dort will Jeffrey seine Töchter umbringen und dann Selbstmord
begehen. Als er mit der Pistole auf seine älteste Tochter zielt,
erscheint eine Geistwesen und zieht ihn aus der Hütte. Fünf Jahre
später werden die Kinder von ihrem Onkel Lucas gefunden. Sie sind in
einem verwilderten und abgemagerten Zustand, bewegen sich vornehmlich
auf allen vieren und sprechen nicht. Die Kinder kommen bei ihrem
Onkel und dessen Partnerin Annabel unter. Ein Psychiater findet in
Gesprächen mit der nun achtjährigen Victoria heraus, dass sich die
Kinder einen mysteriösen Charakter eingebildet haben, so glaubt er
zumindest, den sie „Mama“ nennen. Doch Mama ist keine Einbildung,
sondern ein Geist, der nicht bereit ist, seine beiden Kinder einfach
so herzugeben...
Kritik: Die von Guillermo del Toro produzierte
und von Regisseur Andrés Muschietti erzählte Geschichte präsentiert
uns einen atmosphärisch dichten Geisterhorror mit Anleihen beim
Märchen und dem japanischen Geisterfilm. Ob man das nun als Hommage
oder Bilderklau bezeichnet, spielt dabei für mich keine so große
Rolle. Wichtig ist, dass „Mama“ durchgehend spannend ist und
famose, düstere Bilder bietet. Der Film setzt zwar
eher auf einen subtilen Schauer, hat aber auch einige Schockmomente,
die einen regelrecht umhauen, obwohl man sie zum Teil erwartet und
vorhersehen kann. Der Film hat eine visuelle Kraft, der man sich kaum entziehen kann.
Die Figuren sind inklusive aller
Nebenrollen mit passenden Darstellern besetzt. Besonders gut fand ich
Jessica Chastain. Die hat in ihrer Karriere für ihre guten
darstellerischen Leistungen schon zahlreiche Filmpreise bis hin zu
einer Oscar-Nominierung erhalten. Glaubhaft stellt sie in „Mama“
Annabel dar, die in der Geschichte eine Entwicklung durchmacht von
der von Kindern genervten und im Umgang mit ihnen eher überforderten
Rockröhre hin zur Mutterfigur, die am Ende so stark und gefestigt
ist, dass sie in dem furiosen Finale des Films bereit ist für die
ultimative Auseinandersetzung mit Mama. Überhaupt schlägt der
Film schnell die Richtung ein, die auf das Ende hindeutet. Annabels
Freund, der Onkel der Mädchen, liegt den halben Film lang im Koma, sodass schnell klar wird, worauf
der Film hinausläuft: einen Konkurrenzkampf zweier „Mütter“ um
die Kinder. Apropos Kinder: Überragend sind die beiden Mädchen
Megan Charpentier (als Victoria) und Isabelle Nélisse (als Lilly).
Während des gesamten Films geht von den beiden eine unheimliche
Bedrohung aus, was an der Art liegt, wie sie kommunizieren und sich
bewegen (besonders die jüngere der Schwestern), aber vor allem
daran, dass sie sich immer wieder zu Mama hingezogen fühlen,
dem Wesen, das sie großgezogen und ernährt hat. Mama dringt
immer öfter in die bürgerliche Familie ein und ist für die
Erwachsenen eine tödliche Gefahr, für die Kinder scheinbar nicht.
Eine der besten Einstellungen ist eine
Art „Splitscreen“ durch geschickte Mise-en-scene, die zeigt, wie Grusel im Kopf des Betrachters entsteht,
ohne irgendetwas Gruseliges im Bild zu präsentieren. Die Kamera zeigt rechts im
Bild die Tür zum Kinderzimmer, wo Lilly mit jemandem spielt. Sie
zerrt an einer Decke, die von einer anderen Person, die man nicht
sehen kann, festgehalten wird. Links im Bild sieht man den Flur, auf
dem nacheinander all die Personen entlanggehen, die als Spielpartner
von Lilly überhaupt infrage kommen. Wer ist aber dann mit Lilly im Zimmer?
Natürlich hat der Film auch kleine
Schwächen. Manchmal erzählt er mit der Holzhammermethode, zum
Beispiel als sich Annabel am Anfang des Films über das negative
Ergebnis eines Schwangerschaftstest freut. Dass Kinder eigentlich so
gar nicht in den Lebensentwurf von Annabel (und auch Lucas) passen,
kann man auch anders darstellen, und es wird später in der Erzählung sowieso noch deutlich, zum Beispiel in
den Sequenzen um den Sorgerechtsstreit. Auch andere Bilder wirken
etwas redundant und überstrapaziert (wie das häufige Auftreten von
Motten), und das bombastische Finale mit CGI-Unterstützung ist
sicher auch nicht jedermanns Sache. Sicher wäre auch zu überlegen
gewesen, Mama im letzten Drittel des Films nicht ganz so häufig
ins Bild zu nehmen, dadurch verliert sie etwas von ihrem Zauber.
Andererseits ist das Design der Figur so klasse, dass man sie auch
nicht zu verstecken braucht. Guillermo del Toro war von dem Aussehen
des Geistes regelrecht umgehauen, wie er in den Extras zum Film
betont. Das wird sicher auch manchem Zuschauer so gehen.
Obwohl „Mama“ dramaturgisch
aufgebaut ist wie fast jede klassische Geistergeschichte und von
flackernden Lampen bis wackelnden Kronleuchtern alles bietet, was die
Ghosthorror-Mottenkiste so hergibt, übt er doch eine besondere Faszination auf den Betrachter aus. Das liegt vor allem an der
spannenden Geschichte, den famosen Bildern und nicht zuletzt den
wirklich überragenden Kinderdarstellern. Und auch der „matriarchale
Ansatz“ hat seinen Reiz, wird der Film doch getragen von weiblichen
Darstellern. Die Männer sind entweder dumme, in Panik geratene
Väter, im Koma oder ohnmächtig auf dem Boden liegende Onkel oder einfältige Psychiater, die nachts in
den Wald rennen, obwohl sie gerade die Überzeugung gewonnen haben,
dass es sich tatsächlich um einen gefährlichen Geist handeln
könnte. Na gut, der Schauspieler hinter Mama ist ein zwei Meter
großer dürrer Mann, aber das nur am Rande. Freunde des klassischen
Geisterhorrors sollten sich diesen Film auf keinen Fall entgehen
lassen.
Bilder, die im Gedächtnis bleiben: Mama // die beiden verwilderten Mädchen in der Hütte, wie sie
aussehen und sich bewegen // die kleine Lilly, die im Haus ihrer
großen Schwester gekrümmt hinterherläuft, weil sie noch nicht
sicher aufrecht gehen kann
Bewertung: (8,5/10)